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Berliner Zeitung
[vom 29. November 2000, Ressort: Lokales,
Autor: Heinz Schneller] |
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Yvonne Klehr war im Fernsehen - sie wollte für ihr Hobby werben, sie bekam unmoralische
Angebote |
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Seit anderthalb Wochen hat Yvonne Klehr aus Lichtenberg ein
schlechtes Gewissen, wenn sie zur Arbeit kommt. Sie schaltet ihren Computer ein, und jedes Mal
schwallen ihr neue E-Mails entgegen. Ihr Chef findet es gar nicht mehr lustig, dass die Adresse
der Plattenfirma im Fernsehen gezeigt wurde und Yvonne nun mit elektronischer Post bombardiert
wird. Noch dazu mit rein privater, noch dazu mit Botschaften, deren Inhalt mitunter ziemlich
schlüpfrig ist.
Eigentlich sollte alles ein kostenloser Werbefeldzug für das Wasserballett "Aqua de
Luna" sein, zu dem die 22-Jährige seit fünf Jahren gehört. Also trat Yvonne
am vorvergangenen Sonnabend in der WDR-Single-Show "Geld oder Liebe" auf. "Ich
wollte keinen Mann, sondern dort unsere Truppe vorstellen, damit wir Aufträge bekommen",
sagt sie. Stattdessen meldeten sich Männer, mittlerweile sind es weit über hundert.
Die Offerten reichen von Einladungen zum Essen über Liebesgedichte bis hin zu offenen
Sexwünschen - einer will für ihre getragene Unterwäsche zahlen. Yvonne ignoriert
sie konsequent.
Yvonne Klehr ist die Managerin von "Aqua de Luna". Die zwölf Kunstschwimmerinnen
gehören seit 1995 zum Ensemble des Friedrichstadtpalastes und schwimmen derzeit in der
"Revue Berlin". Voriges Jahr beschlossen sie, sich außerhalb des Palastes einen
Namen zu machen. Mit eigenen Shows tauchten sie bei privaten Feiern auf.
Nachdem die "Berliner Zeitung" im Dezember über das Ballett berichtet hatte,
meldete sich die Recherche-Agentur "7punkt7" aus Köln, die die Gäste für
"Geld oder Liebe" rekrutiert. In Zeitungen und Stadtmagazinen des ganzen Landes
stöbern ihre Mitarbeiter nach geeigneten Kandidaten. Die werden dann gecastet, der Redaktion
vorgestellt und letztlich entscheidet Jürgen von der Lippe, wer neben ihm auf dem Sofa
sitzen darf. "Als sich die Agentur gemeldet hat, beschlossen wir, dass ich mitmache",
sagt Yvonne. "Schließlich bin ich Single und mache die Öffentlichkeitsarbeit."
Yvonne durfte Platz nehmen. Aber sie hatte sich die Sendung schon etwas anders vorgestellt.
"Ich war immer als Letzte dran und bin durch den Zeitmangel kaum zu Wort gekommen. Dadurch
konnte ich nicht alles erzählen, was ich mir vorgenommen hatte", sagt sie.
Dabei sollte die Sendung doch als Sprungbrett für "Aqua de Luna" herhalten. Geld
oder Liebe standen nur im Hintrgrund. Obwohl: Gegen einen kleinen Flirt hätte sie wohl
nichts gehabt. Und wenn in einer E-Mail steht, "du bist zauberhaft", dann kann sich
die Blondine ein geschmeicheltes Lächeln nicht verkneifen. Ehrlich erschrocken war sie nur,
als sich schon einen Tag nach der Sendung ein findiger Zeitgenosse bis zu ihren Eltern
durchtelefonierte.
Inzwischen liest sie nur noch oberflächlich über die Mails. Es könnte ja ein Auftrag
dabei sein. Und tatsächlich ist jetzt die erste Anfrage für einen Auftritt eingegangen.
Ein Erlebnis- und Freizeitbad in der Nähe von Ulm ist an den Berliner Wassernixen
interessiert. |
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